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Judith Bader zur Austellungseröffnung "Schriftbilder" in der Städtischen Galerie Traunstein Die
Mitteilung im Verborgenen
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Klaus
Jörg Schönmetzler zur Ausstellungseröffnung Meine sehr verehrten Damen und Herren, Briefe schreiben zählt in unserer Zeit, also der Zeit von e-Mail, Handy, Telefon und SMS zu den aussterbenden Vermittlungsformen. Nicht ohne Anlaß hat deshalb die „Süddeutsche Zeitung“ eine Lesereihe großer Briefe des vergangenen Jahrhunderts in ihr Feuilleton mit aufgenommen. Und nicht ohne Anlaß geht die Klage unter den Verlegern um, Briefbände als persönlichster und damit erhellendster Teil jedweder historisch-biographischen Erkundung könnten - eher über kurz als über lang - selbst der Historie angehören. So ist es ein anachronistisches, fast schon nostalgisches Unternehmen, dem wir unsere Aufmerksamkeit heute abend widmen. Denn was wir an den Wänden ausgebreitet sehen, sind nichts anderes als Teile eines intensiven, über zwei Jahre geführten Briefwechsels zwischen zwei Künstlern. Ein Briefwechsel, der mittlerweile über 150 Sendungen erfaßt. Wobei das Eigentümliche an diesen Briefen ist, daß sie - ihren Autoren entsprechend - in der Sprache der Kunst, also in Bildern, niedergeschrieben wurden. Und das noch Ungewöhnlichere, daß ihre Rückantwort jeweils gleich auf demselben Brief als Kommentar, als Zustimmung oder als Widerspruch erfolgte. Ganz außergewöhnlich aber wird die Sache dadurch, daß in diese Schreiben sich ein Dritter und auch noch ein Vierter einmischt. Denn gerade so, wie vormals Gotthold Ephraim Lessing seine „Briefe, die Neueste Literatur betreffend“, formulierte, zugleich deren Kritik schon in die Formulierung einbezog und überdies als eigentlichen Adressaten eine universelle Leserschaft ansah; so handeln auch die Pytlik/Pflügl-Briefe von der „Neuesten Literatur“, nämlich von Leitartikeln, Glossen, Bildern, Feuilletons und Kommentaren aus der deutschen Wochenzeitschrift „Die Zeit“. Sie sind wie Lessings Briefe im zweifachen Sinne kritisch. Und ihr eigentlicher, letzter Adressat sind Sie, verehrte Damen und Herren: als Leser, Rezipienten und Betrachter. Sagen wir es noch einmal - zugleich ganz simpel und nach Kräften methodisch. Unsere beiden Künstler, also Rudi Pflügl und Andreas Pytlik, sind - wie Sie und ich - zugleich auch Zeitungsleser; „Zeit“-Leser genauer. Irgendwann vor knapp zwei Jahren nun entschieden sie sich, ihre Lese-Erfahrung auszutauschen. Das heißt, die entsprechende Zeitungsseite wurde ausgerissen, malerisch mit einem Kommentar versehen, losgeschickt und dann vom anderen mit einem Gegenkommentar zurückgesendet. Die künstlerischen Elemente dieses Prozesses sind uns selbstverständlich geläufig. Denn was eine Übermalung ist, das wissen wir - zum allerspätesten seit Arnulf Rainer - zur Genüge. Die Verwendung von Zeitungspapier als Malgrund wurde in den letzten acht Jahrzehnten sogar derart zu Tode geritten, daß bereits die Schulkinder zu stöhnen anfangen, wenn ihr Kunsterzieher mit einem Stapel Zeitungen in die Klasse einrückt. Und das Künstlerkollektiv, speziell das Künstlerduo, ist gerade hier in Bad Aibling durch die legendäre Symbiose Leibl-Sperl ein populärer Mythos. Absolut nichts Neues also? Doch - etwas verblüffend Neues. Denn hier geht es gerade nicht um’s Kollektiv, sondern im Gegenteil um Dialektik, Gegensätze, Spannungen. Es geht nicht einzig um den Werkstoff Zeitungspapier, sondern auch um dessen Inhalt, dessen politische, gesellschaftliche, kulturelle und soziale Bezüglichkeiten. Und es geht nicht um Verfremdung, sondern um Verdeutlichung, Stellungnahme, um die Abgrenzung des eigenen Standpunkts. „Über der Zeit“ heißt diese Bilderserie. Das transportiert gleich eine ganze Reihe von Bedeutungsebenen. Zunächst wird ganz schlicht „Die Zeit“, also die Zeitung gleichen Namens übermalt; was nicht nur das Titelmotto, sondern auch ein straffes formales Muster liefert. Denn „Die Zeit“ mißt ganz exakt 70 mal 50 Zentimeter pro Seite, was den Bildern hier bei aller Individualität eine genormte Größe, also im Wortsinn einen äußeren Rahmen aufzwingt. Die traditionelle Spaltenteilung dieser Zeitschrift liefert überdies ein Raster, gegen das man zwar anmalen kann, das man jedoch sogar im Widerspruch als inneren Maßstab respektiert. Das ist die eine, simple Ebene. In ihrer zweiten sind die Bilder damit zugleich Kommentare über die „Zeit“. Einerseits über die so betitelte Zeitung, ihre Themen, ihre Inhalte. Andererseits über die Zeit, von der eben diese Zeitung handelt. Über unser aller Zeit. Über die Zeitereignisse. Über das Zeitige und das Unzeitige. Sprich, über das, was unsere Lebenszeit beeinflußt und bestimmt, in unseren Gedanken nistet, uns mit seinen Bildern infiziert. Jedoch „Die Zeit“ als Zeitschrift ist zugleich - nach ihrem eigenen Anspruch - überzeitlich. Denn sie ist ja keine Tages-, sondern eine Wochenzeitung. Ihre Texte sind nicht wie der Müll in „Bild“ für die Minute geschrieben, sondern für die Dauer. Ihre Rubriken tragen hochgemute, bildungsbürgerliche Namen wie „Dossier“, „Leben“, „Chancen“, „Wissen“ - worüber sich die flotte Tagespresse notorisch erheitert. Wer „Die Zeit“ liest, so das Motto, opfert Zeit, aber gewinnt auch welche. Die Zeitungsblätter aus der „Zeit“ sind damit, so der Anspruch, zugleich Dokumente ihrer Zeit, in denen Zeitgeist überdauernd thematisiert wird (inwieweit die Seiten gegenüber diesem Anspruch dann bestehen, bleibt - Gott Dank! - allein dem Urteil von uns Lesern überlassen). Soweit das inspirierende Versuchsfeld. Und sobald wir dieses Versuchsfeld abgeschritten haben, können wir beginnen, auch die Briefe selber mit Gewinn zu lesen. Denn die beiden Briefpartner könnten unterschiedlicher kaum sein. Andreas Pytlik hat sich als Künstler die Farbe Grün zu einer Art Lebensmotto erkoren. Und zusammen mit der Zeitungsfarbe Schwarz, die für diese Serie mitverwendet, ergibt dies - Zufall oder nicht - exakt die beiden Farben, die wir alle aus der Schule als die typischen Tafelfarben kennen. Im Englischen heißt eine Schultafel ja sogar ausdrücklich „Blackboard“, und im Deutschen sind wir nicht minder sprichwörtlich mit dem „Schwarzen Brett“ vertraut. Bis dann im Lauf der sechziger Jahre die Schultafeln die uniforme Farbe Grün annahmen. Das heißt: Andreas Pytlik schafft allein durch seine Farbwahl auf den Blättern der „Zeit“ Schreibflächen, in die Rudi Pflügl dann die für ihn charakteristischen Zeichen seiner Schreib-Kunst setzt. Oder aber: Rudi Pflügl gibt erst seine Zeit- und Zeitungskommentare schreibend ab; worauf Andreas Pytlik diese Zeichen grün und schwarz konterkariert. Eine ideale Paarung, und entsprechend fließend und harmonisch kann das Resultat sein. Aber es muß nicht. Denn es gibt genausogut ein wägendes Nebeneinander. Oder auch ein skeptisches, zuweilen wütend widersprechendes Gegeneinander. Als zum Beispiel Rudi Pflügl provokant mit einem Schreiben in der Farbe Lila anfing, kam dies für die Farbästhetik von Andreas Pytlik einer persönlichen Kränkung gleich. Eine Kränkung, die er prompt mit einem nicht minder provokanten Leuchtgrün konterte. Das Resultat wurde dann diese schwungvoll aggressive Serie, die Sie drüben an der Wand versammelt sehen und in der es streckenweise weit mehr um persönliche Empfindlichkeiten als um das gesteckte Thema ging. Wenn Sie genau hinsehen, werden sie in einem Blatt die mürrische Pytlik-Bemerkung finden: „Dein Lila regt mich auf“. Und wenige Blätter später boshaft „Ich hoffe, dir geht Lila aus“. Ein Schlagabtausch, in den sich unverhofft dann wiederum der Dritte einmischt. Denn ein ganzseitiges „Zeit“-Dossier begann damals ausgerechnet mit der Headline „Der Kampf der Werte“. Was Andreas Pytlik natürlich zu einem demonstrativen grünen Rechteck provozierte, das Rudi Pflügl mit einer wahren Lila-Orgie umrandete und übermalte. Das aber ist nicht etwa ein Einwand, sondern im Gegenteil das eigentlich Phantastische an diesem Kunst-Austausch: daß trotz der Tafelfarben wir, das Publikum, nie stur geschulmeistert werden. Daß es gerade keine Politkunst im Stil der Achtzigerjahre ist, die mit dem Hammer des Gutmenschentums auf unsere Köpfe einprügelt. Sondern daß zwei Künstler mit den „Zeit“-Problemen zugleich ihre ganz persönlichen Obsessionen ausstellen - und damit auch Platz für unsere offenhalten. Es sind wirklich Briefe, die wir hier zu lesen bekommen. Öffentliche und private, schöne, leidenschaftliche, verspielte, grimmige, verzweifelte, gewitzte, alberne und kluge Briefe. Kurz: gelebte Zeit. Gelebtes Leben. Sichtbar. Daß gelebte Zeit auch immer Zeitgeschichte spiegelt, ist ein Überschuß und eine Bedingnis dier Bildentstehung. Man kann diese Bilderbriefe deshalb auch, wie die Rubriken einer Zeitung, nach Themen ordnen. Das politische Thema etwa, unser aller Kriegsangst, die sich in Deutschland immer noch mit den Urängsten unserer jüngeren Geschichte trifft. So hat zum Beispiel eine Hitler-Reportage in der „Zeit“ Andreas Pytlik veranlaßt, jede einzelne Zeile des Artikels mit grüner Farbe auszustreichen. Rudi Pflügl hat dann über diese Striche noch ein ganzes Feld von Strichen und Kreuzen übergelegt. Und trotzdem schlägt der gedruckte Name Hitler unübersehbar durch, und aus den Zeitungsspalten wird ein Gräberfeld, ein parzellierter Soldatenfriedhof. So, wie das Wort „Massenvernichtungswaffen“ Rudi Pflügl provozierte, die zwei Wörter „Krieg“ und „Sterben“ endlos über das Papier zu schreiben. Worauf dann Andreas Pytlik tiefes Schwarz über die ganze Fläche deckte. Derart bekenntnishaft politisch geht es allerdings nur selten zu. In aller Regel sind es Bildideen, Formenphantasien, die sich von den Zeitungstexten inspirieren lassen. Wenn zum Beispiel „Die Zeit“ mit einer Pracht-Überschrift wie „Neue Farbe, nächstes Thema“ daherkommt - dann kann Andreas Pytlik gar nicht anders, als seine Standardfarben Grün und Schwarz zu einer neuen Farbe und damit zu einem neuen Thema zu vermischen. - Und wenn ich Ihnen jetzt ein paar weitere, willkürliche Überschriften vorstelle wie „Kleine Zelle, große Sprengkraft“ oder „Irgendwie Dunkel“ oder „Fruchtbar auf Rezept“. Dann ahnen Sie bereits aus solchen Titeln, was auf den entsprechenden Bildern abgeht. Ganz zu schweigen von den Zeitungsseiten, auf denen ein Foto oder schlicht das Layout selber dazu provoziert, das Vorgesetzte weiterzuentwickeln, fortzuschreiben, Form mit Gegenform zu konterkarieren. Derart machen diese Bilder uns zu Zeit- und Zeitungslesern. Und zu Lesern einer außerordentlichen Brieffreundschaft. Und wenn bei der Erst-Ausstellung in der Rathausgalerie Burghausen ein Kritiker monierte, die Bilder seien in sich so verschmolzen, daß man sie für die Produkte eines einzigen Künstlers halten könnte - dann ist das zwar einerseits recht schlampig hingeguckt; doch andererseits ein ziemliches Kompliment. Womit Sie an der Reihe wären. Sie als Leser und Betrachter. Hier, in einer Schau, die einzigartig ist, weil sie zu zweien und zu dritt einherkommt und dabei doch eines ist. Viel Spaß damit und vielleicht etwas Staunen. Wenn Sie mehr erfahren wollen: Zum Finale am 6. April werden die beiden Künstler selber Rede und Antwort stehen - und vielleicht etwas ganz anderes erzählen als ich. Was nota bene ganz im Sinne dieser Bilder wäre.
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Max
Regensburger zur Austellungseröffnung "Abschied vom Ludwigsbad"
Kunstverein Bad Aibling, 10. Juli 2005 |
Mitgliederausstellung Kunstverein Bad Aibling (2005)
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Spendenaktion St. Nikolaus Rosenheim (2006)
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Strukturen, Fotoarbeiten, Dinzler Kunstmühle Rosenheim (2008)
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Fotoarbeiten "Strukturen" Bajuwarenmuseum Waging (2009)
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Schrift- und Fotoarbeiten, Privatschule Dr. Kalscheuer Traunstein (2010) Rudi Pflügl, mein geschätzter Freund und Kollege, hat mich gebeten, sie verehrte Gäste, in seine Ausstellung im Foyer der Dr. Kalscheuer Wirtschaftsschule Traunstein einzuführen. Soweit also alles wunderbar, bis auf ein Problem: Rudi Pflügl ist, wie er auf seiner Homepage selbst veröffentlicht, Kunsterzieher. Und damit nicht genug er übt diesen Beruf, mit der äußerst fragwürdigen Bezeichnung, auch noch hier an dieser Schule aus. Eine Möglichkeit besteht darin, dass wir hier gerade einen Fall von Vorteilnahme aufdecken. Wobei, zwei Beispiele noch: In der achten Klasse eines von mir besuchten Gymnasiums hatte ich eine junge progressive Kunsterzieherin und zudem das gesamte Schuljahr über Noten zwischen fünf und sechs auf meine Arbeiten. Im nächsten Jahr hatte ich dann einen Lehrer, den ich nicht als Kunsterzieher bezeichnen kann und hatte am Ende des Jahres die Note 1 im Zeugnis. Er hätte Rudi Pflügl heißen können. Deshalb ist Rudi Pflügl für mich kein Kunsterzieher, sondern ein verantwortungsvoller Lehrer, der das Fach bildende Kunst unterrichtet. Und, wie ich während unseres Projektes an der Rosenheimer Dr. Kalscheuer Wirtschaftsschule erleben durfte, mit Lust für die Arbeit mit den Schülern, mit der gleichen Lust, die ich Eingangs schon beschrieben habe beim Betrachten seiner Schriftbilder. Er hat ein Gefühl für die Grenzen seines Berufes, ein Gefühl für die Begabungen die ihm begegnen und versucht zu wässern, wenn auch manches Mal vergebens. Ein Gefühl für Grenzen, wie es seine Strukturfotografien auch verlangen. Und es ist kein Vorteil für ihn hier auszustellen, an der Schule an der er als Lehrer unterrichtet. Denn er zeigt sich den Schülern mit seinen Arbeiten, mit seiner Begabung, mit seiner Empfindsamkeit und mit seiner Lust am Schöpferischen – nackt wie jeder Künstler, wenn er seine Arbeiten öffentlich macht. Da es Schüler sind, die er mit dieser Seite seiner Person konfrontiert, wird er sie nach den Ferien wieder unterrichten und es werden nicht alle respektvoll damit umgehen können. Dieses Risiko kann Rudi Pflügl eingehen, da er es geschafft hat, Beruf, den des Lehrers, und Passion, die des Künstlers, beiderseits mit Lust und Realitätssinn zu füllen. Deswegen ist es mir wirklich eine Freude Sie auf die poetischen und liebevollen Schriftbilder sowie auf die Strukturfotografie, die einem scharfen analytischem Auge und Menschen entstammen, hinzuweisen. „Bravo Rudi!“ Andreas Pytlik
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Installation "Die Krone der Schöpfung", Schloss Hartmannsberg (2010) OVB Artikel zur Austellung Zeitgenössische Kunst bei der Jahresausstellung des Landkreises Rosenheim in Schloss Hartmannsberg Räume der Erkenntnis Nachdem man im vergangenen Jahr das Thema der weltweiten Finanzkrise wählte, indem man Höhenflug und Sturz im Bild des Ikarus thematisierte, wagt man heuer den Blick in die Zukunft. In den knapp 90 Arbeiten der insgesamt 24 Künstlerrinnen und Künstler aus der Region und München befindet man sich in einer Gedankenwelt, die sich mit den verschiedenen Medien präsentiert. Mit dem Titel "Spuren in die Zukunft" hat man bei der Jahresausstellung des Landkreises Rosenheim in Schloss Hartmannsberg das letztjährige Thema erweitert. Die Umsetzung erfolgt in den Medien Malerei, Skulptur, Fotografie sowie Installation und überrascht mit einer klaren Präsentation. Dass man sich in diesem Jahr nur auf etwa die Hälfte der Werkschaffenden begrenzt, hat sich gelohnt. Viele der Räumlichkeiten sind einer Künstlerpersönlichkeiten gewidmet. Ein Konzept, entwickelt von Christine Schönmetzler, welches eine vielschichtige Ausstellung entstehen ließ, die einen aktuellen Blick auf Zeitgenössisches in der Region freigibt. Ein schlüssiges Nebeneinander der 86 Arbeiten. Beim Durchwandern der Räumlichkeiten bleibt das Gefühl der Überschaubarkeit und einer geglückten Umsetzung des Themas.Als "Krone der Schöpfung" bezeichnen Hilde Manzke, Rudi Pflügl und Christine Schönmetzler ihre Rauminstallation zum Thema. Die Aiblinger Künstler Manzke und Pflügl überraschen immer wieder mit gemeinsamen Installationen. Zugemüllt mit all den Dingen des täglichen Lebens, schaffen sie hier einen Raum der Erkenntnis. Online-Artikel vom 13.07.2010, OVB >>>
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